Jan Simon Spielberger ist nicht gerade auf direktem Wege zur elektronischen Musik gekommen. Spielberger, am besten unter seinem DJ-Pseudonym Shir Khan bekannt, begann mit sieben Jahren, an der Musikschule Geige zu lernen. Mit 13 stieg er auf Gitarre um, gründete mit 15 seine erste Band und kaufte gegen Ende seiner Teenie-Jahre seinen ersten Plattenspieler.
Als DJ war er zuerst im Hip Hop unterwegs, war von der Berliner Szene jedoch rasch angeödet. Dank seines immerwährenden Hungers auf neue Musik verschlug es ihn schließlich zu House und Techno (über ein paar weitere Stationen wie Soul und Funk bis zu Breakbeat und Jungle). Dieser Tage betreibt er das Deep House-Label Exploited Records und sieht sich glücklich, sich Vollzeit auf Musik konzentrieren zu können.
Was nicht bedeutet, dass es bis dorthin ein leichter Weg war – sein erstes Label Meta Polyp war deutlich weniger erfolgsverwöhnt als Exploited. „In der Presse habe ich recht gute Reviews bekommen, aber Geld hab ich damit nicht verdient, ehrlich gesagt hab ich sogar Miese gemacht“, sagt er. „Aber es hat viel Spaß gemacht. Ich hätte auch nicht gedacht, dass Exploited mal so gut laufen würde, aber nach Jahren harter Arbeit sind wir jetzt eines der größeren Labels für elektronische Musik. Ich bin glücklich, dass ich immer noch das tun kann, was ich am liebsten mache. Musik ist mein Leben, und das 24/7.“
Die Anfänge von Exploited Records
Spielberger rief Exploited als seine persönliche Spielwiese ins Leben, um darauf mit Musik zu experimentieren und sie zu veröffentlichen. Bekannt für seine große musikalische Bandbreite als DJ, beschloss er, eine Compilation-CD zu veröffentlichen, ein Schritt, von dem er wusste, dass er dafür ein eigenes Label brauchen würde. Während er nach unveröffentlichten Tracks für den Sampler suchte, stieß er auf eine ganze Reihe interessanter Demos, unter anderem von Siriusmo und Adam Sky, die er später als Singles auf seinem Label herausbringen sollte.
Zur damaligen Zeit wurde die Berliner Szene von Minimal Techno beherrscht, wobei das Interesse daran bereits seinen Zenit überschritten hatte. Der Erfolg von Exploited lag wohl auch darin begründet, dass es sich absetzte. Das Label entwickelte einen eigenen Sound, der laut Spielberger „fetter ist und mehr Spaß macht“, was es rasch an die Spitze des Deep House-Genres brachte. Sein Künstlerstamm beschränkt sich dabei nicht nur auf Berlin; von Beginn an repräsentierte es internationale Acts mit ganz diversem musikalischem Hintergrund.
„Die meisten Artists auf meinen Labels sind gute Freunde“, erklärt er. „Entscheidend ist die Qualität der Musik. Sie muss produktionstechnisch auf hohem Niveau sein und jeder Künstler muss anders sein. Ich will keine zehn Claptones auf meinem Label, oder die zehn nächsten Adana Twins.“ Üblicherweise beobachtet er einen Künstler erst einmal über den Zeitraum von einem halben Jahr, bevor er ihn unter Vertrag nimmt.
Shir Khans bester Tipp? Halt dich vom Hype fern!
Zwei Veröffentlichungen stechen aus dem Backkatalog von Exploited besonders hervor. Die größten Erfolge feierte das Label bislang mit House-Hymnen wie dem Track „Strange“ des Hamburger Duos Adana Twins und „No Eyes feat. Jaw“ von Claptone.
Aber als Labelboss darf man sich auf solchen Lorbeeren nicht ausruhen. „Die größte Herausforderung ist, sich nicht zu wiederholen, bewusst Risiken einzugehen und nicht den ausgetretenen Pfaden zu folgen. Ich weiß, dass sich ein Hype gut anfühlen kann, aber du musst auch in der Lage sein, ihn zu überleben“, so Spielberger.
Wenn du ein paar gute Künstler kennst, die noch keine Label-Heimat haben, könntest du durchaus darüber nachdenken, ein eigenes zu gründen. Der ganze Prozess der Gründung ist deutlich einfacher geworden, erklärt er, besonders für die, die nur digital veröffentlichen wollen.
Er empfiehlt, eine Vision für das Artwork zu verfolgen und im Vorfeld einen Vertrieb zu finden. „Dann kannst du eigentlich loslegen. Der Rest ist learning by doing. Behalte dir diese DIY-Attitüde bei.“
Das Geheimnis einer guten Clubnacht
Das Label hat bereits einige Nächte in angesagten Berliner Clubs veranstaltet, darunter Picknick, Cookies, Prince Charles und Ritter Butzke. Inzwischen hat es im Watergate ein angestammtes Zuhause gefunden. Diese Erfahrungen haben ihm einige Türen geöffnet, und ermöglichen es ihm mittlerweile, Clubnächte in ganz Europa abzuhalten.
Die wichtigste Zutat für eine gute Party ist laut Spielberger ein gutes Soundsystem. Aber ein gutes Publikum und eine Tanzfläche, die weder zu dunkel noch zu hell ist, sind genauso essenziell. „Setze den Fokus auf die Musik, nicht auf irgendwelchen anderen Kram. Der Club sollte allerdings auch ausreichend gemütlich sein und über ein paar Bereiche verfügen, wo die Leute einfach chillen können“, empfiehlt er. Und vermeide Dancefloor-Klischees wie Nebelmaschinen und Konfettikanonen.
Wenn du mit deinem Label auf internationalen Expansionskurs gehst, sind gute Beziehungen alles. Baue sie auf gegenseitige Loyalität und Vertrauen auf, und wenn deine Künstler erfolgreich werden, werden sie dich mitnehmen. Spielberger rät aufstrebenden Labelbetreibern, in gute Rahmenbedingungen für ihre Acts zu investieren, etwa in eine Booking-Agentur, die all ihre Künstler vertritt.
Was bei Exploited und Shir Khan als nächstes ansteht
Was Exploited als nächstes vorhat? Strenge Geheimsache, scherzt Spielberger, verrät allerdings, dass es für den Rest des Jahres 2016 noch einige aufregende Projekte gibt. Er selbst hat gerade seine Compilation „Shir Khan Presents Dancing & Romancing” veröffentlicht, die einige Highlights aus den letzten fünf Jahren Labelgeschichte versammelt.
Die neueste Exploited-Veröffentlichung ist das Debütalbum der in Brasilien geborenen und in Wien lebenden DJane und Produzentin Joyce Muniz. Die Veröffentlichung von „Made In Vienna“ wurde Ende Oktober mit mehreren Release-Partys in Clubs in Deutschland und Österreich gefeiert.
Und nun? „Wir nehmen erst mal eine kleine Auszeit über die Feiertage, und dann sehen wir uns nächstes Jahr wieder.“
Shir Khan ist wöchentlich im Soundgarden am Dienstag auf Radio Fritz zwischen 20 und 22 Uhr zu hören.