Musikalisch eher trashig und obszön, warten Yelle mit fröhlicher, altmodischer, exotischer und melancholischer Poesie auf. Ihr marginaler und sonniger Stil rockt! Um die Texte des Trios kreisen mehrere Bedeutungen: ihr naiver, utopischer Stil löst Freude aus, thematisiert aber auch den Tod, mitunter auf eine reifere und grausame Art. Zwischen Verbundenheit und Einsamkeit mischen Yelle die Leichtigkeit einer Partynacht mit der Melancholie, die der nächste Morgen mit sich bringt. Yelle schreiben präzise und starke Hooklines, die sehr genau unser Twitter-Zeitalter widerspiegeln. Für eine Band, die daran interessiert ist, eine bestimmte Zeit zu reflektieren, ohne einen zeitlosen Musikstil erschaffen zu wollen, ist das etwas Positives. Yelle ist ein Pop-Ensemble. Ihre Aussagen sind musikalisch, bildhaft und stilistisch. Es war sehr unterhaltsam, Julie, die Stimme und weibliche Figur der Gruppe, beim Schweitzer Musikfestival Festi’Neuch zu treffen.
Gibt eure letzte Single „L'amour parfait“ einen Vorgeschmack auf das Album, das bald erscheint?
„L’amour parfait” bringt die Entwicklung zum Ausdruck, die man auf dem nächsten Album hören wird. Auch wenn es unabhängig davon kompiliert wurde. Die Single wird nicht auf Yelles drittem Album erscheinen. Das Album wurde teilweise in den USA mit Doctor Luke produziert, der sich auch hinter dem Erfolg von großen Hits von Kate Perry, Miley Cyrus oder Kei$ha verbirgt. Den Stil der Band haben wir beibehalten, aber es kennzeichnet eine starke Entwicklung. Das Album wird im späten September oder frühen Oktober veröffentlicht. Das Datum wurde noch nicht bestätigt; sowohl unsere französischen also auch unsere amerikanischen Labels müssen einverstanden sein, aber Ende des Sommers wird man ganz sicher eine neue Single entdecken können.
In Paris bist du bei Parties wie „Kitsuné Club Night“ oder „Flash Cocotte” mit dabei. Außerdem bietest du DJ-Sets an. Hat die Clubkultur den gleichen Einfluss auf die Band wie Live-Auftritte?
Auf jeden Fall! Bei diesen Parties ist die Musik gut, wir tanzen viel und haben Spaß. Die Cocotte-Abende sind verrückt. Sie haben uns sehr beeinflusst, auch wenn es noch nicht so lange her ist, dass ich angefangen habe, in Clubs unterwegs zu sein. Die Verbundenheit durchs Tanzen ist wunderschön.
Du hast in Kollaboration mit der Schwedischen Künstlerin Robyn an dem Programm „The Foreign Exchange“ von iTunes teilgenommen. Kannst du die Idee hinter diesem Austausch genauer erläutern?
Zwei KünstlerInnen treffen aufeinander und suchen sich jeweils einen Song voneinander aus, um ihn neu zu bearbeiten. Wir haben eine persönliche Version von „Who's that girl“ gemacht und Robyn hat „A cause des garçons“ bearbeitet. Ein originelles Konzept, das uns herausfordert, Neues zu probieren und zu kreieren, während man sich auf die Arbeit von jemand anderem verlassen kann. Itunes bietet diesen Austausch an und produziert ihn. Wir mögen unsere Version von Robyns Song sehr. Musikalisch sind unsere Welten sich sehr nah, auch wenn sich einige der Sounds stark unterscheiden. Wir kannten Robyns Arbeit vorher schon und sie unsere auch.
Ihr habt mit der Veröffentlichung eures Albums „Safari Disco Club“ das Micro-Label „Recreation Center“ gegründet. Wolltet ihr in musikalischer und künstlerischer Hinsicht unabhängig bleiben oder wolltet ihr eher eine Musik-Familie um Yelle herum aufbauen?
Wir wollten jede Entscheidung unabhängig treffen können. Wir wollten die andere Seite des Musikbusiness erleben. Yelle ist kein Vollzeitjob, deshalb haben wir uns entschieden, auch andere KünstlerInnen wie Totorro zu produzieren, eine Instrumentalband, die Math-Rock spielt. Das ist eine sehr spezifische Nische. Wir unterstützen sie und helfen ihnen, wenn sie auf Tour sind. Sie kommen aus der Bretagne und leben in einem alten Pfarrhaus in der Nähe von Rennes. Sie ziehen Hühner groß und machen Musik.
Eure Band wurde auf MySpace geboren. Ist es normal für euch, Musik digital zu vertreiben bzw. zu verbreiten?
Im Gegensatz zu den neuen Generationen sind wir, bevor wir angefangen haben Musik zu machen, ohne Internet groß geworden. Die digitale Welt ist für uns also nichts Selbstverständliches. Während der MySpace-Phase war es einfach, seinen Erfolg nachzuverfolgen, man brauchte nur die Wiedergaben zu zählen. Heute ist es schwieriger geworden, alles zu managen, weil das digitale Angebot so groß ist. In sieben Jahren, seit wir „Pop-Up“ herausgebracht haben, ist alles sehr schnell passiert. Dank des Internets konnten wir die Entwicklung und die Sichtbarkeit genauestens nachvollziehen. Das ist aber nicht alles. Du kannst endlos viele Wiedergaben haben und niemand kommt zu deinen Konzerten und das gilt genauso umgekehrt. Ich finde es unglaublich, dass man Leute übers Internet berühren kann. Wir sollten aber nicht die Emotionen und das Lächeln vergessen, die Live passieren.
Sind zusätzliche digitale Tools wie Deezer, SoundCloud, Spotify, Youtube und Facebook für Indie-Bands heutzutage essentiell?
Ständig schießen neue digitale Plattformen aus dem Boden. Auch wenn die Tools heutzutage zu den ursprünglichen gehören, ist es nicht leicht, die richtigen auszusuchen. Eine Band muss sich über E-Kommunikation Gedanken machen. Welche Medien sind für die Leute am einfachsten und am zugänglichsten? KünstlerInnen müssen auch Geld verdienen. Es geht nicht darum, Millionen zu machen, aber es ist normal, jede Art von Arbeit zu respektieren. Jede Kreation muss respektiert und finanziell belohnt werden, wenn jemand anderes sie verwendet.
Das Album „Safari Disco Club“ war an der Spitze der iTunes Electro US-Charts. Ihr seid außerdem in Südamerika und in Skandinavien sehr erfolgreich. Ist es eher die fröhliche Tanzmusik, die die Leute lieben oder die französischsprachigen Hooklines, die exotisch aber auch zugänglich sind, weil sie einfach und direkt sind?
Wir verwenden gern diese kleinen Klischee-Sätze, die man auch versteht, wenn man Englisch oder eine andere Sprache spricht. Es gibt auch eine Ebene von Energie und von Tanzmomenten, die man miteinander teilt, die die Leute sehr mögen. Positive Mundpropaganda funktioniert, weil die Leute während unserer Live-Shows Spaß haben. Das Publikum ist neugierig, beständig, verfolgt unsere Entwicklung und Comebacks und verbreitet unsere Musik. Das sehen wir auf Instagram oder Twitter. Wir haben gerade auf dem Sasquatch-Festival in den USA gespielt. Dank der Hashtags konnten wir gleich nach dem Konzert sehen, wie Bilder, Videos und Kommentare sofort angefangen haben, zu kursieren. Es war unglaublich! Die Öffentlichkeit ist ein Teil des Spiels, weil sie das Netzwerk füttert.
Die Band kommt viel herum. Ist es für euch etwas besonderes, bei einem französischsprachigen Festival aufzutreten? Französischsprachige ProgrammmacherInnen scheinen nicht so interessiert daran, euch zu buchen.
Yelle hat mit vielen verschiedenen KünstlerInnen kollaboriert. Wir machen einen Spagat zwischen Songs wie „Parle à ma main“, dem Duett mit Michaël Youn, und Songs wie „A cause des garçons“, das auf Kitsuné veröffentlicht wurde. Unterwegs haben wir ein paar Leute verloren. In Europa ordnet man Bands gern in Kategorien ein und hört sie sich nach einem definierten Stil an. Wir haben die Linien verwischt, was für uns aber kein Thema ist. Wir genießen jeden Moment, Feindseligkeiten treiben uns nicht an. Wir sind froh, bei Festi'Neuch dabei zu sein. Wir stehen unter Druck, es ist der erste Live-Auftritt unserer neuen Tour, bei dem das Publikum alle Texte verstehen wird. Da kann ich mir beim Text keine Fehler erlauben oder nuscheln! Außerdem bedeuten uns unsere Texte auch sehr viel und wir wollen, dass die Leute sie verstehen.
Du hast mit Jean-Charles de Castelbajac und Jean-Paul Lespagnard kollaboriert. Loïc Prigent ist auch ein großer Fan von Yelle. Kannst du uns die gegenseitige Liebe zwischen der Band und Mode erklären...
Die Verbindung mit dem Modebusiness liegt auf der Hand. Ich wollte von Anfang an mit Designern zusammenarbeiten, deren Kreationen ich mag und eine harmonische Kombination zwischen Musik und Mode entwickeln. Die gerade erwähnten Designer haben Kleidung für unsere Live-Shows und unsere Videos kreiert. Wir hoffen, dass wir diese Kollaborationen in Zukunft fortführen können. Mit Jean-Paul Lespagnard haben wir darüber gesprochen, eine Capsule-Collection zu kreieren. Wir werden sehen, ob wir die Zeit dazu finden. Unsere anderen zukünftigen Kollaborationen sind noch geheim!
Gehören auch Kunst, zeitgenössische Fotografie und das Kino zu euren Einflüssen?
Ich denke schon, aber eher auf eine unbewusste Art und Weise. Wir werden angefüllt von dem, was uns berührt oder was wir beobachten. Der Song „Mon Pays“ hat die Öffentlichkeit zu Unmengen von Bildern inspiriert. Es ist einer dieser Songs, der durchs Kino, durch Bilder bzw. Landschaften inspiriert wurde. Uns interessiert die visuelle Kunst. Vor kurzem hatten wir einen Auftritt in Dänemark, den freien Nachmittag haben wir im Museum für Moderne Kunst verbracht. Wir nehmen uns die Zeit, um neue Orte kennenzulernen und bleiben nicht nur im Hotel oder im Tour-Bus. Siehst du, sogar heute – die Aussicht spricht für sich. Ich könnte den ganzen Tag hier sitzen und Boote auf dem See ansehen.