Alle Länder haben ihre eigene, ganz besondere Musiktradition. Die Entwicklung der Popmusik im Vereinigten Königreich und den USA hat sich stark auf das ausgewirkt, was andere Länder musikalisch hervorbringen, und viele MusikerInnen schreiben ihre Songs auf Englisch, anstatt auf ihrer Muttersprache. Heutzutage werden kulturelle Einflüsse mit den technischen Möglichkeiten des Internets kombiniert, mit den Streaming-Services, sowie mit der internationalen Präsenz und Anerkennung über soziale Netzwerke und Plattformen wie YouTube, Facebook und Bandcamp.
Was ist in diesem Zusammenhang jeweils das Erbe, das an die einzelnen Länder und ihre Musikindustrien noch geknüpft ist? Warum sind es noch immer ausgerechnet Schwedische Produzenten, die hinter so mancher Musik stecken, die weltweit mit zur beliebtesten gehört? Warum bestehen französische Radiosender immer noch darauf, dass knapp die Hälfte ihrer Musik-Sendezeit Liedern mit französischem Text gewidmet bleibt? Und warum haben manche Bands zu Hause mehr Erfolg, während andere Bands als Musik-Export in anderen Ländern berühmt werden und auftreten können.
Musik und Nationalität
In einem neulich in der Financial Times erschienenen Artikel darüber, ‘Wie Schweden zur Hochburg der Popmusik wurde’, betrachtet der Autor einige klassische regionale Identitäten, die einmal die Popmusik bestimmten. Unter anderem werden auch ‘Merseybeat in Liverpool’ und ‘Philly Soul in Philadelphia’ als Beispiele genannt. Außerdem wird Hip-Hop als das Genre beschrieben, welches im Vergleich zu allen anderen Genres am stärksten ‘roots-obsessed’ sei, sprich: besessen von seiner Herkunft. Diese Grenzen, so hebt der Artikel hervor, haben sich neuerdings jedoch weit ausgedehnt. In einem unserer jüngsten Artikel über YouTube-Optimierung haben wir als Beispiel den deutschen Rap-Künstler Kollegah angeführt. Kollegahs Erfolg auf YouTube zeigt, dass sich Hip-Hop in Europa schon seit geraumer Zeit entwickelt – er trägt also zu einem Genre bei, das früher einmal durch einen ausschließlich US-amerikanischen Background definiert wurde. Das heißt, dass man scheinbar nicht mehr aus einer bestimmten Gegend stammen oder einen sozialen Typus bedienen muss, damit die Musik, die man macht, auch gemocht wird.
Musik und Sprache
Die frühe europäische Hip-Hop-Szene erhob Anspruch auf ihre eigene Identität, indem sie begann, sich spezifisch auf die Sprache und Kultur des/der KünstlerIn zu beziehen. Die Muttersprache wurde bevorzugt – trotz des offensichtlichen US-amerikanischen Einflusses, der bis heute andauert. Britische Rap-KünstlerInnen brauchten eine Weile, bis sie das Selbstvertrauen entwickelt hatten, ihre eigenen Akzente zu nutzen, anstatt die amerikanischen Einflüsse nachzuahmen, und gleichzeitig entwickelte sich der Markt dahingehend, dass zunehmend die Erfahrungskultur der KünstlerInnen reflektiert wurde. An europäischen Hip-Hop KünstlerInnen kann man seit den 1980er und 90er Jahren ablesen, dass dem, woher man kommt und welche Muttersprache man spricht, viel Bedeutung beigemessen wird. Besonders in Frankreich ist der Hip-Hop aufgeblüht und MC Solaar, als der wohl bekannteste Vertreter, der mit seinem fließenden Style berühmt wurde, bestimmte in den 90ern die Pariser Szene. Sprache kann also Ausdrucksmöglichkeit für lokale Identität sein – Genres aber können auch über nationale Grenzen hinweg beeinflusst werden.
Trotz allem gibt es viele erfolgreiche Bands aller möglichen Genres und aus ganz Europa, die auf Englisch singen oder die sogar die Sprachen mixen. The Bianca Story aus der Schweiz singen auf Französisch, Englisch und Italienisch, womit sie einerseits die Vielseitigkeit ihrer Heimat widerspiegeln und gleichzeitig ihre Musik für viele internationale Fans zugänglich machen. Phoenix und Daft Punk sind Beispiele für französische Bands, die international bekannt wurden, weil sie auf Englisch singen. Und dennoch: weil mindestens 40% der Radio-Sendezeit auf Französisch ablaufen muss, werden die immer selben 2% an Songs während 70% der Gesamtsendezeit gespielt!
Warum singen so viele internationale KünstlerInnen auf Englisch? Vielleicht liegt es an der Vertrautheit und der Verbundenheit mit der Sprache, weil man, als man groß wurde, so viele englische Songs im Radio, auf Vinyl, Kassette oder CD gehört hat. Bevor das Internet ins Spiel kam, gab es eine größere Kluft zwischen ‘traditioneller’ und ‘heutiger’ Musik – traditionelle und weniger bekannte Bands wurden mit der eigenen Sprache assoziiert und bekannte Bands wurden mit ‘populärer’ oder ‘internationaler’ Musik in Verbindung gebracht – und die war überwiegend auf Englisch. Heute, da man ein viel breiteres Spektrum an Musik machen und hören kann, werden die Begriffe neu definiert. Es gibt KünstlerInnen wie Sigur Ros aus Island, die in ihrer Heimatsprache berühmt wurden, was beweist, das die Situation sehr flexibel ist und vom eigenen Stil und den künstlerischen Entscheidungen abhängt.
Fazit
Der Umstand, dass wir immer mehr Musik aus verschiedensten Kulturen hören können, hat zu enormen Veränderungen für KünstlerInnen und HörerInnen geführt. Musik, die zuvor niemals eine internationale Hörerschaft erreicht hätte, findet immer mehr Respekt und Anerkennung, wobei aber noch immer manche nationale Stereotypen und Vorlieben die musikalischen Produkte einiger Länder beeinflussen. Schweden, beispielsweise, ist ein Top-Exporteur für Pop-Songs, die häufig von unglaublich talentierten Produzenten geschrieben und aufgenommen werden, welche eine traditionelle Rolle in der Musikgeschichte ihres Landes spielen. Nordische Musikfestivals wie 'Ja Ja Ja' rücken die gesamte Region als besonderer und einzigartiger Teil der europäischen Musikkultur ins Rampenlicht. Dabei sind es oft dieselben Produzenten, die gleichzeitig auch die geheimen Schlüsselfiguren hinter großen US-amerikanischen oder Koreanischen Pop-Stars sind, was zeigt, dass sie sich musikalisch nicht nur mit Skandinavien identifizieren, sondern Teil einer internationalen Szene sind.
Die physische Mobilität ist weitaus größer, als sie einmal war. Viele KünstlerInnen und Produzenten leben und arbeiten nicht in ihrer Heimat. Sie machen Musik, die überall auf der Welt auf Tour gehen, gehört und verkauft werden kann. Zu wissen, wo die MusikerInnen leben und wo sie herkommen, mag aus biographischer oder persönlicher Sicht interessant sein, aber auf keinen Fall definiert sie mehr, wie die Musik letztendlich klingt.
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