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Das Chaos um den digitalen Zahlungsverkehr

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An artist on stage singing into a microphone

von Rhian Jones

Zwar war das Internet ein Gottesgeschenk für Independent-Künstler_innen, die ein größeres Publikum erreichen wollten, gleichzeitig aber entstanden massive Probleme, wenn es darum ging, dass sie auch sicher bezahlt werden würden. Als die CD noch regierte, war das alles kein Problem. Wer die Lizenzgebühren eingesammelt und wieder an die Musiker verteilt hat, hatte es nur mit einigen wenigen Partnern zu tun. Dann brach die digitale Zeit herein, dann kam das Streaming und die eingesammelten Beträge schrumpften in den Mikrobereich, während die Anzahl der digitalen Service-Provider wuchs.

Die Tage der aufrichtigen und transparenten Abrechnungen sind vorbei. Jetzt blickt man auf Zahlenkolonnen, eine Flut an Daten, Ungereimtheiten bei der Berechnung der Nutzerrechte und fragwürdige Analysen der tatsächlichen Nutzung der Musik in Form von Bits und Bytes. Was übrig bleibt ist ein Kontoauszug, der vor allem auf gutem Glauben und Informationen basiert, die man wiederum von den Download-Anbietern oder den Streaming-Services erhält.

Das Thema stand ganz oben auf der Agenda, als Shigs Amemiya, CEO von iMusician, Oke Göttlich, CEO von Finetunes und Rob Gruschke, Projektleiter der Beggars Group beim Reeperbahn Festival in Hamburg im September zusammenkamen und über das Chaos des digitalen Zahlungsverkehrs diskutierten – und Verbesserungvorschläge für mehr Transparenz und Anstand im digitalen Musikbusiness machten.

Verwertungsgesellschaften müssen inzwischen mit „1.000 Mal mehr Transaktionen, die 1.000 Mal kleiner sind als früher“ umgehen, erklärt Amemiya. „Anstatt Dollarscheine einzusammeln, werden jetzt Unmengen an Münzen gesammelt und jede einzelne Münze geht an jeweils unterschiedliche Leute. Die Administration, falls sie nicht automatisiert ist, kostet Unmengen.“

Die gegenwärtige Situation

Es gibt keinen internationalen Standard, wie beispielsweise einen Barcode oder eine spezielle Nummer, die einem Song zugeordnet werden, stattdessen werden Nutzungsmeldungen verwendet. Die Meldungen, bei denen beispielsweise Name des Liedautors und Titelname eingetragen werden, werden an die Verwertungsgesellschaften geschickt – an die GEMA in Deutschland, an PRS For Music im Vereinigten Königreich, ASCAP in den USA und STIM in Schweden, die dann die Zahlungen entsprechend verteilen.

Dabei führen banale Übertragungs- oder Rechtschreibfehler dazu, dass das Geld nicht immer die richtige Person bzw. überhaupt irgendjemanden erreicht – Einnahmen aus Online-Streaming versacken manchmal aufgrund von Administrationsfehlern in 'Blackboxen', so Amemiya. „Laut Berichten befinden sich 5,7 Milliarden Euro in diesem schwarzen Topf in Europa, die GEMA ist mit etwa 1 Milliarde an nicht in Anspruch genommenen Ausschüttungen mit dabei.“

Die Politik

Warum also wurde noch kein internationaler Standard ausgearbeitet? Na ja, dabei war ja mal einer in Arbeit. Die Global Repertoire Database (Datenbank des Weltrepertoires) war vorgesehen als einzige, zuverlässige Online-Datenbank, die Informationen über alle musikalischen Werke von Musikverlagen, sowie Verwertungsgesellschaften weltweit enthält. Um die 8 Millionen Britische Pfund an Musikverlags-, Komponisten- und Liedautorengeld wurden seit 2008 für den Aufbau des Copyright-Portals aufgewendet – bevor ein Streit zwischen den Verwertungsgesellschaften die Weiterentwicklung des Projekts Anfang des Jahres zum Stillstand brachte.

Die GRD war auf zusätzliche 18 Mio. Pfund angewiesen, um die Arbeit aufnehmen zu können, die Förderungen sollten eigentlich noch in diesem Jahr von 12 globalen Verwertungsgesellschaften beigesteuert werden. Dann aber zogen erst die einen, dann die nächsten ihre Unterstützung zurück und überließen das Projekt seinem Untergang. Die US-amerikanische Unternehmensgruppe ASCAP hat als erste das Interesse eingestellt, dann folgten SOCAN (Kanada), PRS For Music (UK), SACEM (Frankreich), SIAE (Italien) und SGAE (Spanien). Aus welchem Grund jedoch?

Man könnte anmerken, dass für die Gesellschaften selbst der wohl größte Anreiz besteht, ein Zustandekommen der GRD nicht miterleben zu müssen. Im Moment haben sie die Kontrolle über alle Daten, was ihnen Macht und eine Existenzberechtigung verleiht (neben dem lizenzieren von Musik für Orte wie Geschäfte, Bars, Friseursalons und Restaurants). Manche Gesellschaften halten möglicherweise Daten zurück, so dass sich alle digitalen Serviceanbieter gezwungen sehen, mit ihnen in Kontakt zu treten, anstatt sich direkt mit Komponisten, Liedautoren und Musikverlagen in Verbindung setzen zu können. Die GRD war eine Bedrohung fürs Extrafach in der Kasse, also musste sie eingestanzt werden, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass sie genau den Leuten enorm genutzt hätte, für deren Interessen sich die Verwertungsgesellschaften vermeintlich einsetzen und da sind.

Amemiya fügt hinzu: „Es ist ein klarer Fakt, dass [die Verwertungsgesellschaften] ihren Anteil erhalten – ob sie nun dem Künstler oder der Künstlerin den Tantiemenanteil korrekt ausgezahlt haben oder nicht. Sie fahren also so oder so den gleichen Betrag für sich ein und will man eine neue Lösung herstellen, muss viel in Infrastruktur und Technologie investiert werden. Die Gesellschaften haben im Prinzip keinen finanziellen Anreiz, etwas am System zu verändern. Sie spielen die Karte aus: 'Wir versuchen ja, etwas zu ändern.' – aber die digitale Revolution ist schon 10 Jahre alt, ich finde, das reicht einfach nicht.”

Die Lösung

Ungeachtet der Schwächen hat Göttlich von Finetunes noch einmal die Wichtigkeit einer gemeinsamen Stimme hervorgehoben, die mit Hilfe einer Verwertungsgesellschaft möglich ist und dass das “Anklagen der Verbände zu keinerlei Lösungen führen wird.“ „Wir sollten nicht vergessen, dass Gesellschaften wie die GEMA aus einem Grund wirklich eine gute Sache sind: sie sind die einzige solidarische Bewegung in der Musikbranche, in der jeder Song, sei er von Rihanna, Madonna oder einem Independant-Label, bei Nutzung den gleichen Betrag einspielt.“

„Wir alle sind überwältigt von der Transparenz, die uns die neuen Technologien ermöglichen. Wir müssen zusammenarbeiten – wir sollten die GEMA unterstützen, indem wir ihnen mitteilen, was für Daten wir erhalten bzw. welche wir benötigen, um den Prozess vorantreiben zu können, damit auch sie schneller und besser arbeiten können.“ Es gibt andere Initiativen, die am Entstehen sind und die die Erteilung von Lizenzen für Rechte und die Bearbeitung vereinfachen wollen. Die GEMA, PRS und STIM werden Anfang nächsten Jahres eine paneuropäische Schnittstelle für Lizenzierungen ins Leben rufen. Auch WIN und Merlin arbeiten wohl, gemeinsam mit Experten für verwandte Schutzrechte, daran eine Datenbank möglich zu machen.

Letztendlich liegt aber die eigentliche Kraft in der Musikbranche bei den Machern. Gruschke schlussfolgert: „Wir sind diejenigen, die das aufhalten können, die Verwertungsgesellschaften werden durch uns betrieben, die GEMA durch die Musikverlage und die GVL durch Künstler, Performer und Labels die GVL. Wir sollten Verantwortung übernehmen und äußern, dass wir damit nicht einverstanden sind und dass wir etwas verändern wollen.“

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