Wer als Musiker den globalen Durchbruch schaffen möchte, kommt an den USA nicht vorbei. Das ist der Grund, weshalb hunderte Acts jedes Jahr in voller Montur nach Austin, Texas, reisen, um sich beim SXSW einem internationalen Publikum zu präsentieren. Andere besuchen das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, weil sie ihr Album dort aufnehmen wollen. Seit dem 11. September 2001 hat sich jedoch alles verändert. Neben No-Fly-Listen mit den Namen gesuchter Terroristen werden bestimmte Nationalitäten ganz genau unter die Lupe genommen. Und wenn man sich online für die Einreise in die USA bewirbt, steht dort schwarz auf weiß: selbst mit Visum obliegt die finale Entscheidung den Herren und Damen am Zielflughafen. Wir geben euch ein paar Tipps, die ihr beachten solltet, wenn ihr nach Amerika reist, um dort Musik zu machen.
Regeln und ihre Ausnahmen
Matthew Covey hat eine gemeinnützige Organisation namens Tamizdat gegründet, die Künstler aus Großbritannien in Visumsfragen berät. Er war Gast auf einem Panel beim diesjährigen Great Escape in Brighton. Thema waren Visa für UK-Acts. Covey sagt, dass jeder zunächst davon ausgehen sollte, ein Arbeitsvisum zu benötigen. Das sei die Regel. Anschließend gelte es, Ausnahmen von dieser Regel zu finden. Eine solche Ausnahme betreffe Showcase-Festivals wie SXSW. Sie gilt für jeden, der in die USA reist, um seine Waren feilzubieten und Käufer dafür zu finden. Und genau das passiert schließlich beim SXSW, wo Acts nicht zum allgemeine Entertainment gegen Geld gebucht werden, sondern kostenlos spielen, weil sie entdeckt werden wollen. In dem Fall reicht das ESTA-Formular. Wird es genehmigt, darf man ohne Visum einreisen.
Nun ist das SXSW wahrscheinlich den meisten Grenzbeamten ein Begriff. Vielleicht tretet ihr jedoch wo ganz woanders auf und der Officer glaubt euch einfach nicht, dass es für den Gig kein Geld gibt. Es gibt genügend Horrorgeschichten von Künstlern und Managern, die auf unfreundliche und manchmal schlicht boshafte Beamten trafen, die einem das Leben schwer machten. Wenn man das Risiko nicht eingehen will, muss man sich wohl oder übel die verfügbaren Visa ansehen. Da gibt es etwa das P1-Visum für Entertainment-Gruppen und ihre Mitglieder, das O1 für Solokünstler und O2 für deren Backup-Musiker. P3 gilt, einfach gesagt, für Folk-Musiker. Wenn ihr damit reist, kann es nicht schaden am Zielflughafen in Tracht aufzumarschieren. Das ist kein Scherz.
Plant im Voraus
Habt ihr das für euch passende Visum ausfindig gemacht, gilt es sich darum zu bewerben. Und das kann dauern. Zwischen drei und sechs Monate. Das spiegelt nur bedingt die Arbeitweise der Musikbranche wider, um es mild zu formulieren. Als Band muss man schon extrem gut aufgestellt sein, um mit solchen Fristen überhaupt arbeiten zu können. Gerade Nachwuchs-Bands verfügen nur in den seltensten Fällen über die notwendige Organisation, um einen US-Trip so lang im Voraus zu planen, ganz zu schweigen vom Geld. Das P1-Visum etwa kostet mindestens 190 US-Dollar. Wer innerhalb von zwei Wochen Rückmeldung erhalten möchte, zahlt mehr als 1000 Dollar Eilgebühr.
Eine Band, die sich gegen einen Kostenaufschlag im Eilverfahren um ein Visum bewirbt, ist schnell mal ein paar tausend Euro los. Vorausgesetzt alles läuft reibungslos. Michael Wallies von der deutschen Fördereinrichtung Initiative Musik, erzählte uns von einer Band, die zur Vans Warped Tour nach Amerika reisen wollte und sich rechtzeitig um alles kümmerte und sogar den Expresszuschlag bezahlt hatte. Weil sich die Bearbeitung des Visum-Antrags dennoch hinauszögerte – Behörden eben – musste die Band mehrmals Flüge umbuchen, was weitere Kosten verursachte. Als Newcomer kann man sich das schlicht nicht leisten.
Seid auf alles vorbereitet
Laut Horace Trubridge von der Musicians’ Union, der ebenfalls auf dem Panel beim Great Escape saß, können der falsche Name oder die falsche Hautfarbe dazu führen, dass einem die Einreise verwehrt wird. „Die sind paranoid. Eine wirklich einschüchternde Situation.“ Laut Trubridge bliebe einem als Künstler nicht viel anderes übrig, als sich bestens vorzubereiten und die richtigen Antworten auf die Fragen eines Grenzbeamten parat zu haben. Mit Nachdruck fügte er hinzu: „Tragt eure Instrumente nicht zur Schau, vor allem wenn ihr unter ESTA reist. Sie werden euch nicht glauben, dass ihr nicht zum arbeiten gekommen seid.“
Covey gab ein besonders bemerkenswertes Beispiel zum Besten: Er berichtete von einem Künstler, dem ein Visum verwehrt wurde, weil er einmal in einem Film namens „The Road to Guantanamo“ mitspielte – als Terrorist. Sein Reisepass wies Stempel aus Pakistan und anderen Ländern auf, die sich auf der schwarzen Liste der USA befinden. Nach zig Telefonaten mit einem hochrangigen Immigrations-Anwalt in den Staaten, wurde ihm schließlich doch die Einreise gewährt. „Eine Menge Geld muss die Hände gewechselt haben, denn am Flughafen wurde er an den Sicherheitskontrollen vorbeigeschleust“, erinnerte sich Covey. Während des gesamten Auftritts ließen ihn zwei Sicherheitsbeamten nicht aus den Augen.
„Scheiß drauf“
Wer sich überlegt, den US-Grenzbeamten ein Schnippchen zu schlagen, sei gewarnt. Wenn euch im Vorfeld klar ist, dass ihr neben eurem Showcase-Gig auch einen bezahlten Auftritt spielen werden – egal wie Untergrund und unprofessionell – reicht ESTA nicht aus. Michael Wallies weiß von Fällen zu berichten, in denen Bands am Flughafen direkt wieder nach Hause geschickt wurden, weil die Beamten bereits bescheid wussten. Genauso solltet ihr Gelegenheiten, die sich vor Ort ergeben, einfach abschlagen. Nehmen wir an, ihr spielt beim SXSW und werdet von einem reichen Playboy gebeten, gegen Gage auf seiner Poolparty aufzutreten. Wenn ihr zusagt und die US-Behörden davon Wind bekommen – und wir leben immerhin im NSA-Zeitalter –, seid ihr im schlimmsten Fall wegen Betrugs dran. Ihr habt schließlich nur ein ESTA beantragt. Wenn ihr in die USA reist, um ein Album aufzunehmen, reicht ein ESTA-Formular, vorausgesetzt die USA sind nicht eurer Primärmarkt, auf dem ihr das fertige Produkt vertreiben wollt. Auch hier seid ihr der Gunst der Beamten ausgesetzt. Wenn ihr mit eurem gesamten Instrumentenfundus anreist, unterstellen sie euch vielleicht, dass ihr auf Tour gehen wollt. Man kann es schlicht nicht vorhersagen. Leider kann man nicht einfach sagen: „Scheiß drauf, diesen Stress tu ich mir nicht an.“ Die USA sind nach wie vor der wichtigste Musikmarkt. Und ist man erstmal drüben, vergisst man recht schnell, dass man sich monatelang hat wie einen Terroristen behandeln lassen.
Es ist erstaunlich wie sehr unser Glück im Leben von 32 Seiten zwischen zwei Pappdeckeln abhängen kann, um die Worte des italienischen Autors Fabrizio Gatti zu verwenden. Aktuell bleibt Künstlern, die Amerika erobern wollen, nichts anderes übrig, als sich frühzeitig um ihr Visum zu kümmern und die Reise zu planen, inklusive potenziellen Antworten für die Grenzbeamten. Sagt ihnen aber lieber nicht, dass ihr die USA erobern wollt. Das könnten sie falsch verstehen, und dann geht’s mit dem nächsten Flieger zurück in die Heimat.
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