5 Wege, dein Schicksal als Künstler selbst in die Hand zu nehmen
- Gideon Gottfried
- 13 Januar 2015, Dienstag
Es passiert gerade so viel auf dem Musikmarkt, man verliert leicht den Überblick. Allein im vergangenen Jahr sind eine Menge neuer Start-ups, viele davon mit vielversprechenden Geschäftsmodellen für Künstler, aus dem Boden geschossen. Das neue Jahr bietet Gelegenheit, 2014 Revue passieren zu lassen: Welche Angebote da draußen braucht man als Künstler wirklich, um sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen? Hier sind fünf Vorschläge:
Per Crowdfunding zum Label-Deal: Music Starter
Man kann über Crowdfunding sagen, was man will: Immer wieder mal gelingt es jemandem, das Konzept fanfinanzierter Projekte wirklich effektiv zu nutzen. Ein paar Beispiele aus der Musikbranche: Die Band Ben Folds Five sammelten bei Pledgemusic Geld für ihr Comeback-Album „The Sound Of The Life Of The Mind“. Ihre Fans überboten den Zielbetrag für die Produktion des Albums um mehr als das Dreifache. Die kanadische Rockikone Neil Young erhielt über Kickstarter über sechs Millionen Dollar für Pono, einen Musik-Player für Audiodateien in Studioqualität. C3S, die selbsternannte GEMA-Alternative, die Künstlern mehr Flexibilität bei der Lizenzierung ihrer Werke an Dritte einräumen will, mobilisierte ebenfalls Befürworter für die Startfinanzierung.
Vor allem im vergangenen Jahr wurde das Crowdfunding-Konzep auch im Live-Bereich immer populärer. Unternehmen wie Stagelink, Gigflip oder Gigstarter (siehe auch Erst Tickets verkaufen, dann die Tour planen) versetzen Künstlern in die Lage risikofreie eine Tour zu planen: Fans garantieren, noch bevor der Gig überhaupt feststeht, ein Ticket zu kaufen. Erst bei genügend Zusagen wird die Tour organisiert.
Mit Musicstarter hat ein Unternehmen den Markt betreten, das partizipierenden Bands und Künstlern einen Labelvertrag garantiert, sollte es ihnen gelingen, einen bestimmten Zielbetrag per Crowdfunding zu generieren. Das Prinzip ist dasselbe wie bei Sellaband, Kickstarter oder Pledgemusic, allerdings nur am Anfang. Künstler mobilisieren ihre Fans und bringen sie dazu, einen bestimmten Betrag zu spenden. Dafür werden sie mit allerhand netten bis ausgefallenen Ideen belohnt, etwa mit intimen Exklusivkonzerten oder sogar einer Beteiligung an den Album-Aufnahmen. Sobald ein festgelegter Gesamtbetrag eingesammelt wurde – bei Musicstarter aktuell 30.000 Euro – wird die Band/der Künstler von Musicstarter unter Vertrag genommen und erhält so die Möglichkeit in einem vernünftigen Studio im Beisein von Profis ihr Album aufzunehmen. Mit Universal Music und BurdaIntermedia sind zudem zwei Schwergewichte aus den Bereichen Vertrieb und Kommunikation mit an Bord – was gut oder schlecht sein kann, je nachdem wie viel Unabhängigkeit als Künstler man sich bewahren möchte.
Wer also seine Fans kennt – und das Social-Media-Zeitalter versetzt einen in die Lage, seine Fans gut kennenzulernen – sollte sich aus den verschiedenen Crowdfunding-Varianten diejenige aussuchen, die einem am besten in die Karten spielt. Oder verschiedene Arten, seine Fans direkter in die eigene Karriere einzubinden, miteinander kombinieren, ob es nun darum geht, ein Album aufzunehmen oder auf Tour zu gehen. Wer gut ist, wird Menschen mit seiner Musik berühren. Findet diese Menschen und mobilisiert sie. Sie werden euch unterstützen.
Eine neue Art, live zu spielen: Sofaconcerts/dooop
Niemand zahlt mehr für Musik. Ja, davon haben wir auch schon gehört, und wir gehen etwas später näher auf diesen Punkt ein. Zunächst soll jedoch der Fokus auf den Bereich gerichtet werden, der laut allgemeiner Ansicht noch immer funktioniert: live. Die Zeiten, in denen man nur in etablierten Clubs und Hallen oder auf Festivals auftreten konnte, sind vorbei. Heimkonzerte lautet das Stichwort. Sofaconcerts ist ein Start-up, das Wohnzimmerkonzerte von Künstler für ihre Fans vermittelt. Die Künstler erstellen ein Profil, Fans oder solche, die es werden könnten, können diese Profile auf Sofaconcerts durchstöbern und Bands sowie Einzelkünstler buchen. Exklusiver kann ein Gig nicht sein. Ob es ein intimes Akustik-Set oder eine Show in voller Bandmontur wird, hängt ganz von den persönlichen Vorlieben und natürlich der Größe des Veranstaltungsorts ab. Nach dem Gig lässt der Künstler seinen (sprichwörtlichen) Hut im Kreis wandern und die Fans geben, was auch immer ihnen der Auftritt wert war. Marie-Lene Armingeon und Miriam Schütt, die Gründerinnen von Sofaconcerts, haben bereits die Schaffung von Pro-Accounts in Angriff genommen, über die Künstler auch fixe Gagen vereinbaren können.
Dann wäre da noch dooop, ein Start-up für Live-Streams aller Art. Künstler können mit dooop große und kleine Gigs oder Backstage-Aufnahmen live übertragen, oder ihre Fans auf Tour am Geschehen hinter den Kulissen teilhaben lassen. Denkbar ist auch, Listening-Sessions zu einem neuen Album zu veranstalten und diese live zu streamen. Mehr als eine stabile Internetverbindung sowie die Möglichkeit, Audio und Video zu übertragen, braucht es nicht. Der Künstler legt den Ticketpreis fest, 50 Cent sind das Minimum. Fans bezahlen in dooops, der virtuellen Währung des Start-ups. Die Künstler erhalten 60 Prozent aller Einnahmen, dooop behält die restlichen 40, um Gebühren für Payment-Dienstleister, Wartung der Webseite, Programmierung neuer Funktionen, Support für Künstler und Fans, Kosten für Server, Software Lizenzen, GEMA-Gebühren, Marketing und Administration zu begleichen.
Selbstverständlich lassen sich auch beide Konzepte – Sofaconcerts und dooop – verbinden, um ein Wohnzimmerkonzert live zu streamen.
Verkaufen über BitTorrent
BitTorrent war einst der Buhmann der Musikindustrie, weil es von einigen Menschen für sogenanntes illegales Filesharing verwendet wurde. Nun hat das Unternehmen jedoch ein Vertriebsmodell vorgestellt, bei dem 90 Prozent der Einnahmen aus Verkäufen beim Künstler landen sollen. Das klingt doch endlich mal nach einer Aufteilung, die dem minimalen Vertriebsaufwand im digitalen Zeitalter Rechnung trägt. Produzenten-Guru Diplo hat sein Debütalbum „Florida“ zum zehnjährigen Jubiläum im November über BitTorrent Bundles wiederveröffentlicht. Über BitTorrent Bundles können Künstler ihre Werke auf unterschiedliche Art und Weise ihren Fans anbieten. Sie können beispielsweise eine EP kostenlos anbieten, die Bonustracks jedoch nur im Rahmen eines kostenpflichtigen Bundles bereitsstellen. Thom Yorke – der nebenbei bemerkt seinen gesamten Katalog von Spotify fern hält – hat sich diese Flexibilität zunutze gemacht, als er sein Album „Tomorrow's Modern Boes“ veröffentlichte. BitTorrent behält eine Vertriebsgebühr in Höhe von zehn Prozent, der Künstler kümmert sich selbst um die Promotion. Die übrigen 90 Prozent landen direkt beim Künstler.
Wir haben uns schon länger gefragt, warum sich Unternehmen an die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters nur so zögerlich herantrauen. Es scheint fast so, als musste das beste Modell einmal mehr außerhalb der Musikindustrie entwickelt werden.
Maximiere deine Onlinepräsenz: Digitalaggregatoren
Wie war das noch gleich: Niemand zahlt mehr für Musik. Es stimmt, die Verkaufszahlen schrumpfen. Aber es gibt keinen Grund, an den wenigen verbliebenen – und oft wenig lukrativen – Einkommensmodellen gar nicht erst zu partizipieren. Streaming ist Form des Musikkonsums der Zukunft, ob man das nun gut findet oder nicht. Und so wie die Dinge im Moment stehen, wird sich daraus so schnell kein nachhaltiges Geschäftsmodell für unabhängige Künstler entwickeln, es sei denn, man unterzieht die Zahlungsmodalitäten einer radikalen Änderung (siehe auch Zeit umzudenken – ein neues Bezahlmodell im Streaming). Es gibt dennoch keinen Grund, Streaming-Diensten komplett den Rücken zu kehren. Einerseits sorgen sie zumindest für ein wenige Einkommen, so mickrig es auch sein mag, andererseits sind Streaming-Dienste ein weiterer Weg, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren. Zwar wurden 20 Prozent der Musik auf Spotify noch nicht ein einziges Mal gestreamt, aber wer behauptet denn, dass gerade ihr zu diesen 20 Prozent zählen werdet? Wer behauptet denn, dass nicht gerade ihr es in das Elitenetzwerk von einigen wenigen Superstars schaffen werdet, für die sogar Streaming mittlerweile eine beachtenswertes Einkommen generiert?
Der Punkt ist: Wenn es schon eine Plattform gibt, kann man sich auch nutzen. Und Digitalaggregatoren wie iMusician Digital sorgen dafür, dass ihr auf praktisch jeder Plattform da draußen vertreten seid. Seine Musik auf Spotify verfügbar zu machen, ist vielleicht nur ein Glied in einer Kette zahlreicher Multiplikatoren, doch es ist immer noch Teil der Kette. Und weil es heute so einfach ist, auf diesen Plattformen vertreten zu sein, gibt es keinen Grund, es nicht zu sein.
Vergesst, was ihr zu wissen glaubt
Zu guter Letzt, und das ist vielleicht das Wichtigste: Wartet nicht, bis euch irgendwer zeigt, wie's geht. Oder, um es in den Worten von Steffen Holly vom Fraunhofer Institut für digitale Medientechnologie zu sagen: „Erst wenn die Musiker am Rande der Musikindustrie die verfügbaren Technologien nutzen, um sich von der Industrie weg zu bewegen, anstatt in sie hinein, dann entsteht wieder etwas Neues, etwas Relevantes.“
Was ist damit gemeint? Das digitale Zeitalter bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich selbst, seine Band oder sein Geschäft zu organisieren. Kreative Menschen auf der ganzen Welt wollen nichts weiter als Dinge zu erschaffen, ohne sich mit Lizenzierung und Rechteklärung herumschlagen zu müssen. Sie brauchen es innerhalb der traditionellen Strukturen also gar nicht erst versuchen. Sie wollen einfach nur mit Gleichgesinnten kollaborieren, um großartige Sachen für jedermann zu kreieren. Viele Künstler denken so und viele von ihnen haben es schwer in einem kapitalistischen Umfeld, in dem hinter jeder Idee ein Geschäftsmodell stehen muss. Zum Glück findet man im Internet Menschen, die Spaß daran haben Geschäftsmodelle zu entwickeln. Menschen, die einem Studiozeit oder sonst etwas anbieten, auf das man als Künstler angewiesen ist. Im Gegenzug verlangen diese Menschen den kreativen Output des jeweiligen Künstlers. Eine geniale Idee hat mehr Chancen, sich zu verkaufen, wenn Musik im Spiel ist. Unternehmer, die Musik benötigen, treffen auf Musiker, die Unternehmer benötigen. Kreativzentren wie Zoo Labs (das wir ebenfalls in unserem Start-up-Special vorgestellt haben), bringen Gleichgesinnte aus der ganzen Welt zusammen – in einem Umfeld, in dem kreativ an neuen Geschäftsmodellen gearbeitet werden kann.
Fazit: Wartet nicht auf den nächsten Musik-Messias
Künstler sind das Herz einer ganzen Industrie, dennoch haben sie es schwer, von ihrem Beitrag zu überleben. Natürlich hat nicht jeder Künstler das Zeug dazu, nur von seiner Musik zu leben. Oder wie Steffen Holly sagen würde: „Es gibt so viele Leute, die mit Herzblut dabei sind und bei denen die Qualität auch stimmt. Das wird aber nicht reichen. Diese Einzigartigkeit muss vorhanden sein. Wenn dich die Muse im richtigen Moment küsst, ist es völlig egal, ob du erst gestern gelernt hast, die Gitarre zu halten, oder schon 20 Jahre lang perfekt spielst. Man kann es nicht einschätzen, was einen jedoch nicht davon freispricht, alles zu geben. Je professioneller ich im Umgang mit meinen Tools bin, desto wahrscheinlicher werde ich auch am Ende damit Erfolg haben. Letztendlich können wir immer zur falschen Zeit am falschen Ort sein, während andere zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Das wird man nicht ändern können.“
Dennoch, es herrscht eine Kluft zwischen der Menge an Musik, die von zahlreichen Nutzern im Alltag gebraucht und genutzt wird, und dem Gesamtbetrag, der bei den Künstlern ankommt. Und diese Diskrepanz wird größer und größer. Das liegt zum Teil daran, dass nach wie vor Entitäten in die sogenannte Wertschöpfungskette der Musik involviert sind, deren Anteil, den sie für ihre Dienste verlangen, ihre Bedeutung im kreativen Prozess nicht widerspiegelt (ja, damit sind die großen, etablierten Unternehmen gemeint, die sich zwar als digital gerissen präsentieren, aber eigentlich nur versuchen, den Status Quo überall dort zu wahren, wo es an die Brieftasche geht). Doch es werden immer mehr Unternehmen gegründet, die den Künstler so behandeln, wie es ihm gebührt: als Urheber, ohne die unser Leben ziemlich langweilig wäre. Gemeinsam mit Künstlern, die realisieren, dass ihnen kein Musik-Messias den Weg vorgeben wird, kann diese neue Generation von Unternehmern ein für alle mal klarstellen: Diese Industrie ist nicht – wiederhole: nichts – wert, ohne die Künstler.