Wie du auf dem deutschen Musikmarkt den Durchbruch schaffst
- Rhian Jones
- 16 September 2014, Dienstag
Letzte Woche haben wir darüber berichtet, wie du dir mit einem Auftritt an einem Showcase-Festival einen Karriereschub verpasst. Diese Woche zielen wir noch höher und geben dir Tipps, wie du auf dem deutschen Markt den Durchbruch schaffst.
Als drittgrößter Musikmarkt der Welt hält Deutschland für Musiker unglaublich viele Möglichkeiten bereit. 2013 machte das Land Musikumsätze von €1.023,9 Mio. ($1.361,1 Mio.) und konnte laut der Zahlen von der IFPI einen Wachstum von 1,1% verzeichnen. Internationale Acts haben in Deutschland, das bekannt ist für seine Vielfalt, eine ziemlich große Chance, ein Publikum für sich zu gewinnen (im letzten Jahr kamen UK-Acts auf fast eins aus fünf (17,9%) aller insgesamt im Gesamtgebiet verkauften Musikalben). Außerdem gibt es keine Quoten, nach denen Radiosender in Deutschland eine bestimmte Anzahl von einheimischen Talenten spielen müssen.
Auch wenn der Markt für den Verkauf von Platten ziemlich profitabel ist (73% aller in Deutschland verzeichneten Musikumsätze wurden aus physischen und 21% aus digitalen Verkäufen generiert) – der Markt für Live-Auftritte ist sogar noch größer. In Deutschland gibt es 80 Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und 13 Metropolregionen mit mehr als 500,000 Menschen. Künstler, die auf Tour gehen wollen, können nach Hamburg, Köln oder Frankfurt fahren, es gibt aber auch noch viele andere Orte, die ein großes Publikum zu bieten haben. In Deutschland gibt es mehr als 1.300 Festivals und in jeder Stadt gibt es abertausende Veranstaltungsorte für Musik.
Detlef Schwarte, Geschäftsführer des jährlich stattfindenden Events für Live-Auftritte Reeperbahn Festival in Hamburg, arbeitet in Deutschland regelmäßig mit internationalen Acts zusammen. „In den vergangenen Jahren kamen 50% der Einnahmen aus dem Tonträgermarkt und 50% aus der Live-Branche. Heute aber macht der Live-Markt zwei Drittel des Umsatzes und nur ein Drittel kommt durch den Tonträgerbereich zustande“, so Schwarte. „Es ist nicht leicht, sich auf dem deutschen Markt zu etablieren und man muss gut vorbereitet sein, aber er hält eine Menge Potential bereit für etablierte und für neue Künstler.“
Beim Primavera Pro in Barcelona saßen in diesem Jahr neben Schwarte auf dem Podium: Reinhold Seyfriedsberger, Booking-Agent von Ink Music, Christof Huber, Festival-Leiter des OpenAir St.Gallen und Thomas Roscheck, der Marketing-Mann von Sonic Visions. Die vier Execs sprachen darüber, wie Bands das Meiste aus Deutschland und seinen ausgeprägten kulturellen Beziehungen herausholen können.
Reeperbahn Festival
Zum Reeperbahn Festival, welches vom 17. - 20.September stattfindet und sich auf verschiedene Venues verteilt, kommen 30.000 Besucher nach Hamburg. Es werden um die 400 Konzerte aus bis zu 40 Nationen aus aller Welt ausgerichtet. Der Musikkonferenz-Bereich zieht etwa 3.000 Vertreter aus der Live-Branche, von Labels und Musikverlagen an. Zusätzlich werden 20 Auftritte von Partnern, wie Plattenlabels oder Musik-Exportbüros organisiert.Das Festival ist ein Tor zum deutschen Musikmarkt – eine gute Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und die richtigen Leute zu treffen, die wissen, wie man neuen Bands zum Durchbruch verhilft. Es reicht aber nicht, eine Band mit aufs Reeperbahn Festival zu bringen und dann wieder nach Hause zu fahren, sagt Schwarte. Weil der Markt so groß ist, sollten Bands, die eine Tour organisieren, auch eine Veröffentlichung vorweisen können und umgekehrt. Es ist außerdem „empfehlenswert“, ein Team anstelle eines Promoters, Labels, Medienpartners oder einer PR-Agentur zur Seite zu haben, um auf sich aufmerksam machen zu können.
„Festivals wie das Reeperbahn Festival können ein Bestandteil deiner Strategie sein, Künstler zu etablieren, du solltest aber nicht einfach nur zu einem dieser Events gehen und glauben, dass sich dort alles ergeben wird und du gleich auf die richtigen Leute triffst, die dir oder deinen Künstlern zu Erfolg verhelfen“, erklärt Schwarte. „Du musst dir die richtigen Zutaten zusammensuchen und die passenden Partner finden. In Deutschland gibt es hunderte von unabhängigen Musiklabels und mindestens eines wird deinen Bedürfnissen entsprechen. Es gibt auch viele wichtige und erfolgreiche unabhängige Tourmanager und Promoter.“
Lost in Translation?
Sprache ist kein Problem, Fans in Deutschland legen mehr Wert auf Genre und Stil, sagt Schwarte. Rock, Pop und Nischen-Genres sind beliebt, und Hip-Hop-Festivals wie das splash! geben eine Plattform für neue und etablierte Rap-Acts aus der ganzen Welt. Export-Büros werden in der Regel dafür anerkannt, wenn sie neue Talente nach Deutschland bringen und sie können nützlich dafür sein, neue Acts zu unterstützen, die ein nur kleines Budget und keine Kontakte haben. Länder wie Norwegen, Dänemark, Schweden und Kanada sind bekannt dafür, zuerst die ganze nötige Aufbau- und Laufarbeit zu erledigen, bevor sie versuchen, auf einem neuen Markt Fuß zu fassen.Angrenzende Märkte
Deutschland befindet sich in geographischer Nähe von wohlhabenderen deutschsprachigen europäischen Märkten, wie Österreich, der Schweiz und Luxemburg. Da diese angrenzenden Gebiete über eine Gesamtpopulation von 91Mio. verfügen, sollte man sie unbedingt in seine Marketingstrategie für aufkommende Künstler einschließen.Mit etwa 8 Mio. Einwohnern hat Österreich zwar nicht gerade den größten Musikmarkt zu bieten, ist dafür aber ziemlich viel versprechend. Da zeigt sich wieder, dass Live alles schlägt, wenn Musiker vor 600/700 Leuten spielen und dabei nur 50 Vinyl-CD's verkaufen – sagt Seyfriedsberger. Wien sollte man als erstes anvisieren, es ist außerdem das Tor nach Ost- und Südeuropa. „Bratislava ist von Wien eine Stunde und Budapest zweieinhalb Stunden Fahrtzeit entfernt: 25% der Ticketverkäufe der von Ink Music organisierten Caribou-Konzerte gingen in angrenzende Länder“, sagt Seyfriedsberger. „Wenn du Musiker in Österreich etablieren kannst, können diese locker in vier oder fünf Städten auftreten, wie beispielsweise in Linz, Salzburg und Innsbruck.”
Sonic Visions ist das Reeperbahn Festival von Luxemburg, es wurde durch das Music und Resource Center des Venues Rockhal ins Leben gerufen. Das Festival soll die Luxemburger Musikszene entwickeln, beim Festival geht es vor allem darum, dass neue Bands entdeckt werden sollen. Roscheck sagt, dass Luxemburgs Infrastruktur an Clubs und Konzert-Venues Möglichkeiten für Acts aller Niveaus bereithält. Da Luxemburg ein internationales Land ist, können dort auch französisch- oder deutschsprachige Künstler Fans finden. Außerdem gibt es einen soliden Banksektor, in dem viele englische Expats arbeiten, und so haben junge UK-Bands ziemlich gute Chancen, Bekanntheit zu erlangen. „Gleichzeitig sind bei uns große Anteile der Bevölkerung italienisch- und portugiesischstämmig. Auch einige Medien in Luxemburg, beispielsweise Radiosender sind französisch-, deutsch-, englisch und portugiesischsprachig, und es gibt italienische Zeitschriften. Es ist ziemlich leicht, deine Zielgruppe zu erreichen“, fügt Roscheck hinzu.
Albumverkäufe und Radio-Airplay sind „nicht mehr so relevant“, auch nicht in der Schweiz, und es gibt um die 300 Festivals, die für den Musikmarkt des Landes eine wichtige Rolle spielen. Neben dem Montreux Jazz Festival und dem Paléo Festival, ist auch das OpenAir St.Gallen ein großer Name und zieht jährlich an die 30.000 Musikfans an. Huber sagt, dass man mindestens auf einem dieser Festivals spielen sollte, um auf dem Markt den Durchbruch zu schaffen und dann eine Tour booken zu können. „Nach meiner Erfahrung, wenn all die die vielen europäischen oder UK-Bands den Markt nicht effizient bearbeiten, wenn sie sich nicht darauf konzentrieren, zwei oder drei Auftritte oder Festivals zu bekommen, dann hat nach fünf Jahren keiner mehr Interesse an ihnen – sogar, wenn sie im Vereinigten Königreich große Stars sind. Um einer Band zum Durchbruch zu verhelfen, ist der Live-Sektor absolut wesentlich – manche Bands bei uns füllen Clubs mit 800.000 Leuten, und du findest sie trotzdem nicht in den Charts.”
Hier kannst du noch ein Ticket fürs Reeperbahn Festival bekommen. Vielleicht lohnt es sich ja, den deutschen Musikmarkt einmal aus erster Hand zu erleben?