Playlists landeten aus den falschen Gründen in den Schlagzeilen, als ein Billboard-Artikel einen weit verbreiteten Schmiergeld-Trend aufdeckte. Labels und Manager bezahlten die Kuratoren bekannter Playlists dafür, die Tracks ihrer Künstler aufzunehmen. Es ist eine fragwürdige Gepflogenheit, schließlich verlässt sich die Öffentlichkeit darauf, dass die Kuratoren Musik auswählen, weil sie gut ist, und nicht, weil das Marketing-Budget eines Major Labels dahinter steckt. Indie-Acts und ungesignte Bands ziehen den Kürzeren. Lässt man die aktuelle Kontroverse jedoch außer Acht, ist Playlist-Promotion ein wichtiger Teil von Musik-Marketingkampagnen, die eine Künstler-Karriere in Gang setzen können (zumal Spotify verspricht, dass seine neuen Vertragsklauseln solch zwielichtiges Vorgehen erschweren würden).
Playlisting kann eine traditionelle Albumkampagne verlängern, indem das ganze Jahr über ausgewählte Tracks platziert werden – ein Grund für Künstler, mit ihren Fans in Kontakt zu treten, um auf die Veröffentlichung aufmerksam zu machen. Im digitalen Zeitalter habe Marketing viel mit Bindung zu tun, so Spotifys Will Hope im Mai im Rahmen der Musikkonferenz PrimaveraPro. Tracks in den Playlists anderer Leute zu platzieren sei der Schlüssel, um neue Musik zu entdecken und zu konsumieren. Auf Spotify gibt es mehr als 1,5 Millionen Playlists. Dort finde der Großteil des Musikkonsums statt, so Hope. Am Anfang des Marketing-Prozesses sollte die Platzierungeines Tracks in einer Playlist stehen, ob das nun eine von Spotify oder von einem Drittanbieter erstellte Playlist ist.
Wie komme ich da rein?
Alle Spotify-Playlists sind handverlesen. Die drei Major Labels, Universal, Sony und Warner, verfügen per Digster, Filtr bzw. playlists.net über ihre eigenen Playlists, die auch Musik fremden Repertoires beinhalten (etwa 50 Prozent kommen vom Label selbst). Empfehlungen von Tracks, die in Label- oder Künstler-Playlists landen, werden per Facebook und Twitter eingereicht. Über die Spotify-Playlists entscheiden hauseigene Redakteure. Laut Chris Stone von Spotify, der beim Digital Day des britischen Indie-Verbands AIM ein paar wertvolle Tipps gab, sei der erste Schritt, Spotify zu kontaktieren und darzulegen, wie man den Streaming-Dienst in eine Marketingkampagne einbinden wolle. Wer seine ersten Plays und Follower verzeichne, könne dem Spotify-Team einen Song nahelegen, Das Team sehe sich anschließend eine Reihe von Playlists an, um zu ermitteln, wo der Song passen könnte.Sammy Andrews von Cooking Vinyl hat folgende Ratschläge parat: Gefolgschaft aufbauen, Tracks in Playlists platzieren, wenn ein Release-Termin in greifbare Nähe rückt, die verschiedenen Playlist-Kategorien berücksichtigen (z.B. Studieren, Entspannen, Training, Fokussieren und zahlreiche Genre-Listen), um den perfekten Platz für deinen Song zu finden. Eine weitere Idee ist es, sich den Backkatalog zunutze zu machen: Hast du irgendwelche älteren Tracks, die perfekt in eine Playlist passen könnten? Reiche sie ein, sie könnten dir Geld einbringen. Laut einem Eintrag im Ditto Blog sei eine Playlist mit eigener Musik, aber auch Musik von Künstlern, die deinen Fans gefallen könnten, ein todsicherer Weg, um deine Follower bei der Stange zu halten. „In diesem Fall ist weniger mehr. Menschen wollen kein Überangebot. Aber sie entdecken gerne neue Musik und werden sich fragen, was das für ein Track ist“, heißt es auf der Website.
Eine Anlaufstelle für Playlists
Wer sich um seine eigenen Playlists kümmert, ob als Label, Künstler oder Manager – sammelt Plays für die eigene Musik und gewinnt gleichzeitig ein paar neue Fans hinzu. Laut Stone sei es entscheidend, die Playlist ständig zu erweitern – auf wöchentlicher Basis sei eine gute Idee bzw. sobald ein neuer Track veröffentlicht wurde, sofern der Fokus auf neuer Musik liegt. Dies sei das Geheimnis hinter dem Aufbau einer Gefolgschaft. „Für manche ist eine Playlist nichts weiter als ein Mixtape. Der wesentliche Unterschied ist jedoch, dass die Playlist mit der Zeit erweitert und aktualisiert wird. Ist eine Playlist erst erstellt, geht die Arbeit erst los, sie ist ein lebendiger Organismus“, so Stone, und er fährt fort: „Leute werden dir nur folgen, wenn sie wissen wollen, welche Tracks du in Zukunft hinzufügst.“Für Lucy Blair, Direktorin der digitalen Marketingagentur Motive Unknown, ist Interaktion das Schlüsselwort. Einer der Kunden von Motive Unknown verfügt über eine Monday Morning Blues-Playlist, die auf Fan-Vorschlägen basiert, die über die sozialen Netzwerke eingereicht werden. Und laut Will Cooper, General Manager of Digital Distribution bei PIAS, lautet die Regel: Qualität statt Quantität: „Wir hatten eins 250 Playlists, alle mit begeisterten Followern. Doch seit diesem Jahr haben wir 99 Prozent unserer Playlists versteckt und nur nur noch acht auf einmal online. Darauf fokussieren wir uns und gehen sicher, dass sie regelmäßig aktualisiert werden. Unsere New-Release-Liste wird jeden Montag ergänzt, daneben gibt es eine Katalog-Playlist namens Throwback Thursday sowie eine Takeover-Playlist am Freitag, die auf unterschiedlichen Genres basiert.“
Exklusive Einblicke
Jason Reed, Digitalchef bei Domino Recordings, hat gute Erfahrungen mit Playlists gemacht, über die Künstler ihre Fans am kreativen Prozess teilhaben lassen. Dabei kommt es nicht auf Musik an, auch mit gesprochenem Wort lässt sich Geld verdienen (erinnert ihr euch an die US-Band Vulfpeck, die ihre Fans bat, ein fünfminütiges, stummes Album zu streamen, um ihre Tour zu finanzieren? Die Band verdiente 20.000 US-Dollar). Der Großteil von Prodigys Marketingkampagne für The Day Is My Enemy drehte sich um Spotify-Playlists. Als die erste Single erschien, landete sie in einer Playlist. Bis zur Album-Release-Woche hatte sie tausende Follower.Bandmitglied Liam Howlett hatte ein paar Aufnahmen veröffentlicht, in denen er über die Einflüsse des Albums sprach. „Er hatte das bisher noch nie gemacht, für einen Prodigy-Fan war es also wirklich interessant zu hören, was die Karriere der Band beeinflusst hat“, so Andrews. Die Aufnahmen flossen neben all den Neuveröffentlichungen, die in den Charts landeten, in die Playlist mit ein. „Neue Inhalte zu finden, ist sehr wichtig. Zusätzliche Inhalte werten das, was ohnehin schon da ist, zusätzlich auf, währen gleichzeitig andere Acts in der Playlist vorgestellt werden“, erklärt Andrews.
In der Welt des Streaming, wo Musikfans mit mehr Auswahl konfrontiert werden, als sie jemals zu Lebzeiten hören können, müssen Künstler genügend kreieren, damit sich ein Besuch ihrer Seite auch lohnt. Die Herausforderung besteht darin, dass nur „verflucht nochmals großartige“ Songs veröffentlicht werden, um Scott Cohen zu zitieren, der ebenfalls im Rahmen der PrimaveraPro sprach. Die Zeiten, in denen Künstler mit ein paar Singles und den übrigen Songs als Füllstoff davonkamen, sind vorbei. Heute verdienen sie ihr Geld, indem sie Fans dazu bringen zurückzukehren, und zwar immer und immer wieder. Dazu gehört auch, bei der Musik-Promo strategisch vorzugehen.